Es ist nicht einfach, ruhig zu bleiben. Das, was ich gerade um mich herum passieren sehe, gäbe genug Grund zur Panik. Am Ende aber verzweifle ich an der Suche nach Möglichkeiten, die ich habe, einer besorgniserregenden Entwicklung entgegenzuwirken. Panik ist eine der sichersten Optionen, nichts zu erreichen. Also ist die a priori gesetzte Prämisse: ruhig und bedacht bleiben.
Da ist grundlegend dieser immer spürbarere Rechtsruck. Erst kürzlich wurde festgehalten, dass die rechtsextremen Straftaten im letzten Jahr deutlich zugenommen haben (Artikel Tagesschau). Diese Entwicklung ist aber nicht auf Deutschland beschränkt. Rechtsextreme Parteien werden in vielen Ländern um uns herum, also auch international, stärker.
Parallel dazu werden polemische Aussagen und offensichtliche Lügen anscheinend wieder salonfähig. Die Versuche, diese zu entlarven, werden weit weniger gehört oder angenommen als die Botschaft hinter den Lügen selbst. Schlimmer noch: Lügen mehrfach zu wiederholen, rechtfertigt letztlich offensichtlich Maßnahmen zur Beseitigung der herbeigelogenen Situation. Putin macht das schon lange, etwa mit der Darstellung der Ukraine. Wer widersetzt sich denn ernsthaft den Aussagen, die er in die Welt setzt? Dabei nutzt er nicht nur eigene Auftritte, sondern setzt sehr gekonnt digitale Medien ein. Seine Lügen formt er so Stück für Stück in Wahrheiten um. Dinge, die man von vielen Seiten über Jahre hinweg hört, werden immer „wahrer“. Die Richtigstellungsversuche sind weit davon entfernt, ähnliche Reichweiten zu entwickeln.
Sein erfolgreiches Beispiel macht Schule. Trump hat nun auf einmal den Präsidenten der Ukraine, Selenskyj, als Diktator bezeichnet, der ohne Wahl an die Macht gekommen sei (Artikel Tagesschau). Eine ganz klare Lüge, aber sie wird ihre Wirkung zeigen. Er wird sie wiederholen, und ich bin gespannt, was das für das herbeigeführte Ende des Krieges von Russland gegen die Ukraine bedeuten wird.
Und nur mal so nebenbei erwähnt: Die USA beginnen ebensolche Narrative über Europa in die Welt zu setzen, die uns als gefährlich für die internationale Sicherheit beschreiben. Ein Beispiel ist die ‚umwerfende‘ Rede des amerikanischen Vizepräsidenten J.D. Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz neulich (Artikel Tagesschau). Derartige Vorwürfe werden sich wiederholen, und plötzlich verfolgen die USA und Russland sehr ähnliche Werte. Sie sind auf dem Weg, Freunde zu werden. Was bereiten solche Narrative also auf lange Sicht vor?
Dann tanzt ein weiterer, sehr einflussreicher (übrigens nie gewählter) Mann namens Musk mit einer Kettensäge in einer Talkshow herum und grölt dabei wie ein Besoffener. Diese Kettensäge war ein Geschenk seines Freundes, des argentinischen Ministerpräsidenten Milei, und soll die Radikalität verbildlichen, mit der Musk sein DOGE-Programm durchzieht. Dass er dabei asozial und rücksichtslos vorgeht und in erster Linie Menschen vor die Tür setzt, die Kritik an Trump und ihm äußern könnten, spielt irgendwie keine Rolle.
Diese Broligarchie spannt Schritt für Schritt ein weltweites Netz. Die Einflussnahme auf die europäische Politik ist schon mehrfach belegt und wird immer offener ausgetragen. Es sind nicht mehr nur Bots in sozialen Medien, die etwa russlandfreundliche Underdogs plötzlich Parlamentswahlen gewinnen lassen (siehe Rumänien). Nein, es wird offen für rechtsextreme Parteien bei uns geworben. Musk etwa macht das mehrfach und mehrschichtig – er nutzt nicht nur seine Reichweite, sondern auch seinen Einfluss auf die Plattform X und deren Algorithmen (Artikel WDR).
Das sind nur die schillerndsten Beispiele für die Entwicklung, die mir Sorge bereitet. Ich möchte nicht einfach in meinem Zimmer sitzen und mir den Kopf zerbrechen. Ich möchte gerne mehr tun als nur in meinem Umfeld, meiner Bubble, dagegenzuwirken. Aber was kann ich tun, um am Ende eine Veränderung auf den Bühnen dieser Welt zu bewirken, die kaum weiter entfernt von meinem ausgestreckten Arm sein könnten?
Letztlich bleibt mir doch nicht viel außer meiner Bubble, vielleicht einer Parteimitgliedschaft, und der Hoffnung, dass viele andere auch ihren kleinen Wirkungsradius nutzen. Frei nach dem Motto „I rock the party that rocks the party“ müssen wir auf eine Kettenreaktion hoffen, die wir gemeinsam von unten lostreten.
Während ich mir genau über diese Wirkungsoptionen Gedanken mache, sehe ich mit Freude, dass jemand, der deutlich mehr Gehör erhält als ich, ebenfalls aktiv geworden ist. Jan Böhmermann hat es geschafft, eine Videobotschaft in der New York Times zu platzieren, in der er der Trump-Muskschen Fake-Welt eine Gegenposition entgegensetzt. Auch das bringt noch keinen Umschwung, aber es ist einer der vielen Stiche, die wir setzen können und loben sollten.
Das Video ist leider nicht ohne Abo zu sehen, aber die NYT bietet eine kostenfreie Testphase für diejenigen, die es gerne anschauen möchten:
https://www.nytimes.com/2025/02/20/opinion/germany-elections-afd.html?smid=url-share
Also: nicht in Panik verfallen und den eigenen Beitrag leisten, der möglich ist – auch wenn er allein so mickrig wirkt.
Die in diesem Beitrag verwendeten Bilder stammen aus meiner eigenen Fotografie. © Arthur Krier
Mehr von meinen Foto-Arbeiten gibt es auf https://artk-photography.com.