Hilfe, ich verstehe nicht!

Ein großes und allseits besorgniserregendes Thema ist derzeit der Iran. Die ganze Welt ist in Aufruhr, weil der Präsident Ahmadinedschad angekündigt hat, das Programm zur Anreicherung von Uran wieder aufzunehmen. Angst deshalb, weil damit die Atombombe gebaut werden kann. Viele werden ganz hibbelig und versuchen hieb- und stichfest zu belegen, dass die iranische Regierung wirklich den Weg zur Atomwaffe einschlägt. Es wird zu Besonnenheit aufgerufen, teilweise auch gedroht, mit dem Ziel, den Iran von diesem Weg fernzuhalten bzw. wieder abzubringen. Auf der anderen Seite versichert zum Beispiel der immer noch sehr einflussreiche Ex-Präsident des Iran, Rafsandschani, sein Land habe mit Sicherheit nicht die Absicht, die Atombombe zu bauen.

Wer auch immer Recht hat, was auch immer der Iran wirklich beabsichtigt, so beschäftigt mich bei dieser Diskussion (wie auch schon damals bei der Rechtfertigung des Irak-Krieges) eine etwas andere Frage ungemein: mit welcher Berechtigung wollen wir (die Westmächte) anderen Staaten, wie eben beispielsweise dem Iran, den Besitz der Atomwaffe verbieten???

Es geht nicht darum, dass diese Vorstellung besorgniserregend ist. Es geht darum, dass wir eine Sache verurteilen, die wir uns genehmigt haben! Nur weil wir schneller an diesem Ziel waren, dürfen wir noch lange nicht anderen den gleichen Weg verbieten. Gleiches Recht für alle! Seit wann gilt das nicht mehr? Hier liegt doch folgende Auffassung zu Grunde: ‚Ich habe mir bereits etwas beschafft, aber wenn du dir das gleiche besorgst, dann bestrafe ich dich jetzt dafür!‘ Wir durften etwas, was wir anderen jetzt verbieten.

In die gleiche Richtung geht die heutige paradoxe Rede des französischen Präsidenten Chirac. Der hat unter anderem dies hier gesagt:

«Die Führer von Staaten, die gegen uns auf terroristische Mittel zurückgreifen, sowie alle, die in der einen oder anderen Weise den Einsatz von Massenvernichtungswaffen erwägen, müssen verstehen, dass sie sich einer festen und angepassten Antwort unserer Seite aussetzen würden. Diese Antwort kann konventionell sein; sie kann auch anderer Natur sein.»

Zitiert nach der netzeitung

Er sagt, sein Land erwäge den Einsatz von Massenvernichtungswaffen gegen Länder, die den Einsatz von Massenvernichtungswaffen erwägen! Muss man sich da noch groß anstrengen und vorstellen, ein Staatsoberhaupt eines anderen Landes zu sein und die gleiche Meinung zu vertreten, um die Unsinnigkeit und Provokation dieser Äußerung nachvollziehen zu können?

Ich versteh das nicht.

Versetzt sich überhaupt jemand in die Köpfe und Herzen der Menschen – Bürger sowie Politiker – in Nahost? Ich kann mir gut vorstellen, dass viele Zivilisten mehr und mehr Angst vor den Westmächten, allen voran den USA, bekommen! Im Irak gab es während des Krieges ättliche Angriffe der amerikanischen Armee, bei der unzählige unschuldige Bürger getötet wurden. Warum? Nicht etwa, weil der Irak den USA irgend etwas getan hätte, nein, nur weil der Präsident der USA die Meinung vertreten hatte, Saddam Hussein sei ein gefährlicher Mann. Vor kurzem in den Bergen in Pakistan: ein US-Luftangriff tötet mehrere Menschen, die sich nichts zu Schulden haben kommen lassen. Grund: ein von den USA als gefährlich eingestufter Mann hätte sich unter diesen Menschen aufgehalten. War aber falsch. Wer bedroht hier Weltfrieden und Menschenleben unschuldiger? Vor wem sollte sich der Weltfriede fürchten? Hier gibt es ganz gefährliche und an der Macht sitzende Personen, die auch noch die Atomwaffe haben. Ein Beweis für ihre Gefährlichkeit und Hinterhältigkeit: sie versuchen alle anderen daran zu hindern, auch die Atomwaffe zu besitzen – nötigenfalls mit Gewalt! Und die Menschen aus diesen Ländern, die von diesen gefährlichen Personen regiert werden, die wollen sich doch immer für Frieden stark machen! Aber sie sagen nichts, bleiben einfach stumm…

Hilfe, ich versteh dass einfach nicht!

4 Gedanken zu „Hilfe, ich verstehe nicht!

  1. Rotfell

    Ich verstehe deinen Gedanken. Es geht wohl darum, daß die Westmächte beim Iran die Möglichkeit nicht ausschließen, daß sie in geistiger Umnachtung und aus fehlgeleiteten Märtyrertum die Atombombe benutzen, obwohl das in einer schrecklichen Katastrophe für die gesamte Welt enden würde. Keine Ahnung, was ihnen die Gewißheit gibt, daß nicht zum Beispiel Amerika, England oder Frankreich irgendwann ihre Atombomben einsetzen (als endgültige Lösung des Terrorproblems)

    Wofür braucht man denn heutzutage denn überhaupt noch die Atombombe oder die Wasserstoffbombe? Meiner Meinung nach ist das immer noch eine Art Kalter Krieg, nur heute gilt: jeder gegen jeden. „Wenn die ihre Atombomben nicht still legen, mach ich das auch nicht!“

    so oder so eine dumme Situation, die meiner Meinung nach nie gelöst wird. Die Staaten schüchtern lieber ein, anstatt gemeinsam wirklich etwas für den „Weltfrieden“ zu tun (wenn es so etwas überhaupt gibt und es kein Oxymeron ist)

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  2. Iwi

    „Es geht wohl darum, daß die Westmächte beim Iran die Möglichkeit nicht ausschließen, daß sie in geistiger Umnachtung und aus fehlgeleiteten Märtyrertum die Atombombe benutzen, obwohl das in einer schrecklichen Katastrophe für die gesamte Welt enden würde.“

    Genau diese Gedanken werden entweder wirklich gedacht oder zumindest wird das so propagiert, dass man das denken soll. Aber es ist auch genau das,was ich so verrückt finde: was hat uns der Iran (oder damals auch der Irak) getan? Wieviele europäische/amerikanische Menschenleben hat der Iran (Irak) auf dem Gewissen? Keine! Klar hört man dann das Argument: der 11. September wurde von Terroristen eingefädelt, die in diesen Ländern Unterstützung fanden. Erstens ist es nicht wirklich nachgewiesen und zweitens fanden diese auch Schutz in Deutschland! Und wieviele irakische/afghanische/pakistanische Menschenleben haben die Westmächte auf der anderen Seite vernichtet? Wir schließen die Möglichkeit nicht aus, dass der ach so gefährliche Staat Iran einen Anschlag verüben könnte. Aber der Iran hat schon viele sichere Beweise dafür, dass wir, allen voran die USA, solche Anschläge auch wirklich verüben (im Irak wurden von den USA auch Atomsprengköpfe eingesetzt). All diese könnte-würde-täte-Argumente von den Westalliierten, die auf der angeblichen ‚geistigen Umnachtung‘ aufbauen, diese Argumente sind es, die von gefährlicher Willkür zeugen, mit der da ein Krieg angezettelt werden kann. Es war nicht wirklich viel Propaganda nötig, dass Bush den Krieg im Irak anfangen konnte, ohne wirklich einen Kriegsgrund zu haben. In die Lage der Menschen im Iran versetzt: welche Ängste werden da geschürt, wenn diese Menschen merken, dass (die geistig umnachteten) Köpfe des Westens schon wieder ihre Propaganda gegen ihre Staaten anlaufen lassen.

    Wir sind nicht das Weltgesetz und so wie wir derzeit handeln, sind wir auch diejenigen, die den Weltfrieden verhindern!

    Aber vielleicht hast du Recht, Rotfell, und ‚Welt‘ und ‚Frieden‘ widersprechen sich einfach von Natur aus. Dann müssten wir uns damit abfinden, aber das wär einfach zu schade.

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  3. Rotfell

    Momentchen mal, in Afghanistan mußten die Menschen unter der Herrschaft der Taliban sehr leiden. Ich kannte einen Afghanen, der nach Deutschland geflohen ist und der hat mir einiges darüber erzählt. Und auch der „liebe“ Saddam war kein großer Menschenfreund in seinem Land. Sie haben zwar uns nicht angegriffen, aber hätten die Westmächte nicht eingegriffen, würden weiterhin tausende Menschen gefoltert und getötet werden. Das sind auch Fakten, die man nicht vergessen sollte und die für diese Aktionen sprechen.

    Ok, der Wiederaufbau funktioniert nicht besonders gut, was man wirklich kritisieren kann, da anscheinend niemand sich im Vorfeld viele Gedanken darum gemacht hat.

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  4. Iwi

    Ja, da hast du bestimmt Recht: es gibt Menschen, die das gut finden, was die USA mit ihren Verbündeten in Afghanistan und dem Irak gemacht haben. Aber wir dürfen nicht vergessen: es gibt auch sehr viele Betroffene, die das anders sehen!
    Und ich finde es einfach etwas überheblich, dass wir dann für diese Menschen bestimmen, was unterm Strich das Bessere für sie ist. Wir entscheiden für sie, ohne sie wirklich zu fragen! Wir behandeln sie wie unmündige Kinder.
    Es herrschen in diesen weit entfernten Ländern so gänzlich andere Anschauungen und Einstellungen als bei uns, und deshalb finde ich, können wir nicht einfach sagen, dass wir was gutes tun, wenn wir z.B. Saddam entfernen, nur weil er aus unserer Sicht kein guter Mensch ist.

    Nur als Beispiel: in Israel und/oder Palästina wachsen Menschen heran, die sich über die kriegerische Auseinandersetzung mit dem Feind identifizieren. Ganzen Menschengruppen, fast schon Generationen würde ihr Lebensinhalt genommen, wenn diese Auseinandersetzung mit einem Schlag vom Tisch wäre. Das soll nicht heissen, dass ich es verurteile, sich dort für eine Lösung mit langanhaltendem Frieden einzusetzen, aber wenn dann nicht in der Form, dass wir dies den Menschen aufs Auge drücken, sondern so, dass erreicht wird, dass sie es selbst wollen und wir ihnen dabei helfen. Ich glaube, im Israel/Palästina-Konflikt ist der Weg ein viel besserer als der von Afghanistan und Irak, wo doch noch immer so viel oder gar mehr Menschen sterben, als zur Zeit der Taliban bzw. Saddams.

    Und das ist ein sehr wichtiger Punkt, wenn du sagst, man kann kritisieren, dass der Wiederaufbau nicht gut funktioniert, da sich im Vorfeld niemand genau Gedanken darüber gemacht hat. Die Menschen waren nicht darauf vorbereitet, sie wollten es eigentlich nicht (ich meine nicht Einzelne, sondern die Masse), denn wenn das Volk hinter der Veränderung steht, dann geht das auch!

    Und deshalb: uns hat der Iran nichts getan, wir können dort mit einem Krieg nichts zum Positiven wenden (wie wir langsam gelernt haben sollten) und mit dem provokativen Gehabe in Bezug auf Atomwaffenherstellung sorgen wir bestimmt nicht für ein relaxtes Miteinander.

    Mal angenommen, es wäre umgekehrt: der Iran hätte die Atombombe und wir Westmächte nicht. Wie würden wir das auffassen, wenn der Iran mit einem Atomangriff droht, sollten wir auch versuchen, die Atombombe herzustellen?

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