Archiv der Kategorie: gedankenläufig

Mitten ins Auge…

…nur in welches?

Manchmal, aber nur manchmal, bin ich damit fast überfordert: ist euch schon aufgefallen, dass es nicht heißen dürfte: „Schau mir in die Augen, Kleines!“ sondern: „Schau mir ins Auge, Kleines!“ ? Ich unterhalte mich mit meinem Gegenüber und merke, dass ich verwirrt bin, weil ich nicht weiß: soll ich ihm/ihr in das rechte oder in das linke Auge sehen. Mein Fokus wankt und springt, ich frage mich, wie das wohl für ihn/sie aussieht, und suche mir ein Auge aus, auf dem ich dann haften bleibe. Dies passiert allerdings nur bei intensiveren, längeren Gesprächen, bei flüchtigem Geplänkel ist mir das noch nicht aufgefallen. Vielleicht sollte ich mich schon grundlegend festlegen und etwa zum ‚ins-rechte-Auge-gucker‘ werden…

Jung zum Abend

Ein Büchlein fiel mir aus dem Regal und schlug sich die Seite mit folgendem, mir ins Auge springendem Eintrag auf:

„Das Gewissen – gleichgültig wie es begründet wird – stellt die Forderung an den einzelnen, seiner inneren Stimme Gefolgschaft zu leisten, auf die Gefahr hin, sich zu irren. Man kann diesem Gebot den Gehorsam verweigern unter der Berufung auf den durch religiöse Auffassungen gestützten Sittenkodex, allerdings mit dem mißlichen Gefühl, eine Untreue begangen zu haben. Man mag über das Ethos denken, wie man will, es ist und bleibt ein innerer Wert, dessen Verletzung kein Spaß ist, sondern unter Umständen bedenkliche psychische Folgen hat.“

aus C.G. Jung: ‚Von Gut und Böse. Einsichten und Weisheiten‘. Olten. 1990. S.56

Wo ist Gott?

Was ein Titel, fällt mir grad so auf, aber ich lass ihn stehn…

Ich hatte die Tage mal so einen Moment, in dem mir etwas eigentlich übliches und längst gewohntes plötzlich gar nicht mehr so selbstverständlich vorkam, und zwar die Grußformel „grüß Gott!“ In Verbindung mit einer eher albernen Antwort, die hierzulande des öfteren darauf gegeben wird: „Ja wenn i nan säch!“ kamen mir diese Gedanken.

Es ist ja letztlich wirklich so, dass man nach dem Tod laut Christentum nicht weg ist, sondern in das Reich Gottes kommt. Wenn man diesen Gruß dann wirklich wörtlich nimmt, dann ist das ja eigentlich eine Aufforderung, die erst erfüllbar ist, wenn man das Zeitliche gesegnet hat. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass dieser Gruß auf dieser Basis entstanden ist. Viel eher stelle ich mir vor, dass an die Situation des Gebets gedacht wird oder wurde. Wer betet, der ist Gott nahe, mit ihm verbunden, und könnte in dieser Situation mal nen Gruß rüberschicken, da freut er sich doch dann bestimmt darüber.

Auch wenn ich vor ca. 20 Jahren in meinem damals zarten Alter ein eifriger Ministrant war, so bin ich jetzt alles andere als ein gläubiger Christ im klassischen Sinn. Ich habe mir lange genug darüber Gedanken gemacht und habe meine eigene Version von Religion und finde auch, dass da jeder Mensch ebenso seine eigene haben sollte. Allein deshalb habe ich bereits Schwierigkeiten, hinter den großen Religionen zu stehen…aber ich schweife ab, das ist ein anderes Thema. Jedenfalls ist es in meiner Überzeugung so, dass dieses etwas, was viele als Gott bezeichnen ausschließlich eine Kraft oder Energie in einem selbst ist. Es gibt so viele Götter, wie es Menschen gibt, und wenn ein Mensch mehrere hat, dann ist das auch gut. Aus dieser Überzeugung wieder zurück zum ‚grüß Gott‘ fiel mir auf, dass einige diesen Gruß durch ein Wort erweitern und ‚grüß dich Gott‘ sagen! ‚Grüß Gott‘ könnte also nur eine verkürzte Version davon sein und dieser ausführliche Griß impliziert ja eigentlich auch die Annahme, die ich für mich gefunden habe. Ich weiß natürlich, dass das keine neuartige Ansicht von mir ist, ganz im Gegenteil, und daher könnte da schon ein Zusammenhang bestehen, der mir folglich viel besser gefällt.

Ein anderer Mensch hat seine eigene Welt, die er um sich herum geschaffen hat, ist (s)ein eigener Gott und somit eine eigene und neue (je nach Intensität der Bekanntschaft) Erfahrung. Dieser Mensch und seine Welt sind es wert durch dieses ‚grüß (dich) Gott‘ gegrüßt zu werden und schon kann ich mehr damit anfangen als das bisherige einfach dahingeplappere.

Weitere Theorien?? Her damit!

Frühling und Herbst

In meiner Nachbarschaft wohnt ein kleiner Junge, na ja so etwa elf oder zwölf Jahre wird er sein, der in der ebenfalls nahe gelegenen Klosterkirche ministrieren geht. Er sagt, er macht das gerne und hat es schon gerne tun wollen, bevor er es überhaupt durfte, also vor seiner Erstkommunion. Aber als es dann soweit war, da war er nicht mehr zu halten und ministrierte sehr viel. Es wird immer aufgeschrieben, wer wann gedient hat und am Ende des Jahres gibt es dann je nach Leistung größere oder kleinere Weihnachtsgeschenke. Stolz hat er mir erzählt, dass er in einem Jahr mit 372 Gottesdiensten nicht mehr zu schlagen war.

Natürlich kennt er auch – zumindest vom Sehen – die meisten Stammbesucher. Besonders diejenigen prägen sich ihm gut ein, die in den frühmorgendlichen Wochentagsmessen in den spärlich besetzten Bänken sitzen. Oft bietet sich ihm dabei taglang das immer gleiche Bild wenn er von seinem rot gepolsterten Stühlchen neben dem Priester sitzt und nach unten sieht. In der ersten Reihe in der von ihm aus rechten Seite sitzt immer ein alter Mann, der nur mehr sehr langsam gehen kann und mal ein Kissen mitgebracht hat, damit er weicher sitzt. Wenn nach der Messe die Kirche leer ist und Max noch Kelch und Hostienschale in die Sakristei bringen muss und die kircheneigenen Gebetbücher einsammelt und in die Holzkiste am Eingang sortiert, dann ist dieses an den Nagel vor des alten Mannes Platz hängende Kissen das einzige, das durch sein sanftes Baumeln daran erinnert, dass vor kurzem noch jemand hier war. So sieht nicht nur Max die fleißigen Kirchenbesucher, sondern diese auch den fleißigsten Ministranten des Klosters. Stillschweigend bewundern sich die beiden Seiten gegenseitig, wenn auch auf eine sehr unterschiedliche Art.

Unter der Woche geht Max nach der Messe direkt in die Schule, nur an den Wochenenden und während den Ferien geht’s nach Hause. Und an einem solchen Tag muss es passiert sein, dass er den langsamen, alten Mann eingeholt hat, denn auch dieser wohnt nicht weit von hier und Max hat vor kurzem erst erfahren, dass er immer an dessen Haus vorbeilief. Da er ihn ja gewissermaßen kannte, grüßte er und der Alte grüßte zurück. Er hat eine etwas heisere Stimme, wirkte aber gleich sehr freundlich auf Max. Dies ging einige Male so, bis eines Tages der alte Mann nach der Begrüßung den Jungen daran hinderte zügig weiterzugehen, indem er ihn fragte, wie ihm die Messe gefallen habe. An diesem Tag war Hochamt, also eine Sonntagsmesse mit Predigt. Max gab eine etwas verlegene und knappe positive Antwort. Da er aber schon sein Gehtempo dem alten Mann angepasst hatte, wollte er nicht gleich wieder beschleunigen und stellte die Gegenfrage. Ihm habe sie auch sehr gut gefallen, meinte der Alte, nur dass er mit der Predigt ein Problem hatte. Er habe sie schlicht nicht verstanden. Eine kurze Schnaufpause machte Max deutlich, dass er sie auch nicht erklären könnte, denn eigentlich hatte er sie auch nicht verstanden. Für so alte Menschen wie ihn, meinte der Mann, seien so lange und auch komplizierte Predigten einfach nichts mehr. Max wusste nicht so richtig, was er danach noch sagen sollte und nach ein paar Schritten verabschiedete er sich und war froh, als der Alte ganz lieb meinte, er solle ruhig gehen und brauche wirklich nicht mit ihm in diesem Schneckentempo nach Hause schleichen.

Seit dann führten die beiden jedes Mal, wenn sie sich begegneten, ein kurzes Gespräch, manchmal auch etwas längere und Max erfuhr, wo der alte Mann seine Wohnung hat und auch, dass er Herr Steinmetz heißt. Die Gespräche wurden immer etwas länger und auch traute sich Max immer mehr Fragen zu stellen. Etwa wollte er wissen, ob sein alter Wegkumpane früher als Steinmetz gearbeitet hat. Oder warum er so hohe Absätze an seinen Schuhen hat. Herr Steinmetz beantwortete Max nicht nur seine Fragen, er erzählte ihm auch sonst immer recht viel. Wenn ich Max aber fragte, wovon Herr Steinmetz denn erzählt, wusste er immer nicht so genau, was es eigentlich war. Als ich wissen wollte, ob er es denn schlicht vergessen würde, wurde Max etwas rot im Gesicht und zuckte mit seinen Schultern.

Aber es gefalle ihm sehr gut mit Herrn Steinmetz und mittlerweile geht er auch schon öfters mit ihm in seine Wohnung. Dieser zeigt ihm dann verschiedene Heiligenbilder, es riecht immer recht streng nach irgendeiner Creme, mit der man sich einreiben kann, um seinen Husten wegzubekommen und jetzt in der Weihnachtszeit gibt Herr Steinmetz dem Max auch jedes Mal einen Lebkuchen mit. Immer ist es einer von den braunen, dabei mag er doch die weißen am liebsten, aber er sagt nichts, bedankt sich und Herr Steinmetz lächelt glücklich.

Max gefällt es bei Herrn Steinmetz so gut, dass er schon nach jedem Ministrieren darauf hofft, ihn zu treffen. Ein paar Tage vor Weihnachten war vom ersten Moment der Messe an ein komisches Gefühl in Max’ Bauch: Der Platz seines Freundes war leer und das Kissen hing so an dem Haken, als würde es jemand anders dort vergessen haben. Diese halbe Stunde war eine der längsten, die Max erlebt hatte, denn er beschloss sofort, als er sah, dass Herr Steinmetz fehlte, auf dem Heimweg bei ihm zu klingeln und nachzusehen, warum er nicht da ist. Wie beruhigt war er, als Herr Steinmetz die Türe öffnete und ihm mit ganz ruhiger Stimmer erklärte, er habe heute ersatzweise zu Hause einen Rosenkranz gebetet und sei deshalb nicht in die Kirche gegangen, weil er nicht gehen könne, da der Boden gefroren und spiegelglatt ist. Daran hatte Max gar nicht gedacht, dass die alten, doch sehr ungeschickten und etwas lahmen Beine des Herrn Steinmetz mit diesem Bodenfrost ihre Probleme hatten. Da war der Tag wieder in Ordnung.

Als ich Max einmal fragte, warum genau er eigentlich so gerne bei Herrn Steinmetz sei, schaute er mich mit großen Augen und einem glücklichen Gesicht an, und sagte, so als sei er stolz, die Antwort zu wissen: „Ich weiß nicht!“

Weihnachtsgeschichte (ausgekramt)

Es war einmal ein junger Mann, der lebte einsam und verlassen mit seinem Hund in einer Hütte am Waldrand. Es gab Menschen, die konnten sich nicht vorstellen, wie man denn so abgelegen glücklich sein konnte, die schwärmten immer von den großen Städten, in denen viele Menschen zusammen kommen, aber der junge Mann brauchte nicht oft in die Städte zu gehen, um zu wissen, dass er in seinem kleinen Häuschen glücklicher lebte.

Da brach eines Winters der Schnee über den Wald und auch über das kleine Anwesen des Mannes und seines Hundes herein. Das freute ihn sehr, denn er hatte schon lange keinen Schnee mehr gesehen, und jetzt viel eine Menge und solch flockiger Schnee, da wollte er gleich mit seinem vierbeinigen Freund hinaus gehen. So gingen sie ein Stückchen durch den Wald, kamen aber bald auf eine Lichtung oben am Berg. Da pustete der Wind stark umher und ließ die Schneeflocken ganz verwirrt und hektisch mal nach links, mal nach rechts, dann nach oben schießen, nur um sie schließlich doch mit einer Wucht auf den Boden knallen zu lassen, dass sich der Mann wunderte, keine Erschütterung von den vielen Flocken, die so zur Erde schossen, zu spüren. Und ein Lärm war das, der Wind pfiff nicht nur ein Lied, er schrie die Herbstgeister hinfort und kündigte den Einzug des Winters lauthals an.

Es herrschte also ein Schauspiel, dessen Macht den verhältnismäßig winzigen Mann mit seinem noch kleineren Hund erschauern ließ und dafür sorgte, dass er seinen Respekt vor der Stärke und Größe der Natur nicht verlor. Ihm wurde wie so oft klar, dass er viel mehr von ihrer Gunst abhängig ist, als von der des Reichtums. Als er aber wieder in den Wald zurückkehrte, da wurde ihm wohlig warm in der Brust. Hier spürte er nicht minder die Kraft der lebenden Natur, aber hier wurde er vor dem eiskalten und frechen Wind beschützt. Die Bäume gesellten sich um ihn wie alte Freunde und nahmen gern die Peitsche des Windes auf, nur um Mann und Hund vor ihr zu bewahren. Und so fühlte er etwas, das er in diesem Moment nicht anders als „Weihnachten“ nennen konnte.

Ihm wurde klar, dass dies nicht weniger aber auch nicht mehr als ein Gefühl ist, und dachte bei sich: „Ach wie froh bin ich doch, dass ich mir keinen Weihnachtsbaum in die Stube gestellt habe. Vielleicht würde dann genau dieser Baum jetzt fehlen und ich müsste jämmerlich frieren und könnte die Augen wegen dem prasselnden Schnee gar nicht öffnen und mein Weihnachten wäre dahin.“ So geht er, dieses Gefühl genießend, weiter, und freut sich wieder einmal, nicht in der Stadt zu sein, wo Weihnachten durch in Fenstern blinkende Sterne und durch sonderbare Versammlungen vieler Menschen in großen Häusern mit Türmen und Glockenlärm herbeizuholen versucht wird.

Hinauf, Affe!

Es passiert andauernd: die Affen in unserem Urwald fallen von den Bäumen. Manche sehen wir fliegen, einige von ihnen schütteln wir sogar mutwillig herab, aber die meisten fallen erst beim Erreichen des Bodens auf, da das Dickicht der Urgewächse einfach ein rechtzeitiges Erkennen verhindert. Und so kommt es auch nicht zu selten vor, dass wir uns auf unserem Boden mit Affen herumschlagen, oder sagen wir abgeben müssen, die uns gar nicht so gelegen kommen, da wir sie erstens nicht herbeibefohlen haben und uns auch nicht auf sie vorbereiten konnten. Mit manchen kommen wir dann doch gut zurecht, was uns große Freude bereitet, allerdings geben uns auch viele Aufgaben auf, denen wir zum einen nicht gewachsen sind, zum anderen aber auch nicht ausweichen können. Denn ja, es ist so, dass die Wege, die man in so einem verwachsenen Gebiet gehen kann, sehr begrenzt sind. Und wer will denn schon zurück?! Aber auch hier: normalerweise gibt es einen Ausweg, der sich von selbst darbietet: der Affe selbst! Ihm wird das bloße Wegversperren langweilig. Wir geben uns ja kaum oder gar nicht mit ihm ab, weil wir einfach nicht wissen, wie ihn zu nehmen. Leider sind die meisten von uns einfach keine Affenexperten. Und an sie gewöhnen kann man sich auch nicht richtig. Mögen sie zwar einander oft sehr ähneln, so sind sie doch alle verschieden. Manche ruhig und sehr verschreckt, andere aber wild und angriffslustig, unzähmbar. Auch ein langer Weg schützt nicht davor, wieder einem ganz neuen Typ von Affen zu begegnen! Also wie gesagt: diese Sorte von ‚ungebetenem Affen’ meiden wir, wodurch der Affe selbst früher oder später auch keinen Sinn mehr darin sieht, auf dem so öde unbewegten Boden zu bleiben und sich lieber wieder hoch hinauf in seine vom Wind bewegten Äste begibt. Und: der Weg ist damit wieder frei und wir können weiterziehen.
Aber ich weiß nicht recht: liegt es an der Jahreszeit oder haben sich die Affen total verändert oder ist der Wald in einer Krise – es ist zur Zeit so, dass die Affen, die schon längst wieder hochklettern wollen, dies einfach nicht schaffen. Entweder sind die ersten Äste viel zu hoch und der Stamm zu glatt, oder die Affen selbst kommen einem vor wie betäubt und torkeln nur unten haltlos herum oder sie schaffen ein paar Höhenmeter und rauschen dann – man wägt sich schon in Sicherheit (gerade darum sind diese Fälle die Schlimmsten) – schreckeneinjagend wieder gen Boden!
Man weiß leider einfach noch nicht, woran das liegt, mit welchen eigentlichen Schwierigkeiten man es zu tun hat, aber es wird eingehend geforscht und es könnte ein Nobelpreis in dieser Riege vergeben werden. So hoffen wir, oder soll ich nur von mir sprechen?, dass unsere Wälder wieder ins Gleichgewicht kommen und auch die Affen ihr gewohntes Spiel wieder aufnehmen können.
In diesem Sinne…